Here’s a healthy breakfast option
You should kill your mom
Here’s why women never fuck you
Here’s how you can build a bomb
Which Power Ranger are you?
Take this quirky quiz
Obama sent the immigrants to vaccinate your kids
Diese Textzeilen, die ich aus Gründen des Jugendschutzes nicht übersetze, stammen aus einem Lied des mit dem Internet ausgewachsenen und dort bekannt gewordenen Comedians und Entertainers Bo Burnham. In seinem tragisch-komischen Comedy-Special, das er in Zeiten von Corona aufnahm und für den Streamingdienst Netflix produzierte, singt er Lieder wie eben jenes „Welcome to the Internet“, aus dem die Textzeile stammt. Das Lied hat mittlerweile über 100 Millionen Aufrufe und wurde sowohl von den „einfachen“ Kommentatoren als auch vom amerikanischen Feuilleton als tiefsinnige Reflexion der Gefahren des so geliebten Mediums Internet gefeiert.
Wer die Textzeilen, die im Lied im Stakkato geradezu gerappt werden, für übertrieben hält, hält sich nicht in den aktuellen Social-Media-Kanälen auf. Denn genauso könnte eine Timeline, also die aneinandergereihten, unaufhörlichen Inhalte eines jeden TikTok-Accounts aussehen. Ich wiederhole: eines jeden!
Ein Beispiel für einen Inhalt, der zunächst lustig erscheint, aber im Gegenteil: gefährlich ist, befindet sich momentan dauerhaft auf meiner eigenen „For You-Page“, der ersten Seite also, die ich bei TikTok aufrufe. Der Verschwörungsideologe Thomas G. Hornauer, bekannt als „King Thomas“, lässt junge Leute zu seiner Musik tanzen, gibt Anweisungen und hält Audienzen. Viele tausend User sehen dabei zu. Lustig, skurril? Möglicherweise. Gleichzeitig gibt man jemandem, der Inhalte von Querdenker- bis Reichsbürgertum transportiert, eine Bühne. Der Algorithmus lässt Teilnehmende zu kleinen Stars der Szene werden. Die Sub-Botschaft: Der Typ ist zwar nicht ganz sauber, aber wenn man ihn unterstützt, kann man selbst profitieren. So verschieben sich die Grenzen, so wird gefährliche Esoterik relativiert.
Die Nutzerinnen und Nutzer am Bildschirm halten
Mittlerweile sollte klar sein, dass TikTok den wohl mächtigsten Algorithmus gebaut hat, den die Welt je gesehen hat. Vereinfacht könnte man sagen, dass es dazu neben der technischen Expertise, die ein solches Milliardenunternehmen hat, „nur“ einer Erkenntnis bedurfte: In der Gesellschaft der Singularitäten, wie der Soziologe Andreas Reckwitz unsere Gesellschaft nennt, ist die Mutmaßung, wie würden uns für unsere Freunde interessieren, nicht mehr richtig. Auf dieser Grundlage hatte Meta, als es noch Facebook hieß, versucht, die Nutzerinnen und Nutzer am Bildschirm zu halten. Nein, der stärkste Algorithmus weiß, was wir wollen, er kennt uns genau – und mehr.
Mittlerweile sollte klar sein, dass TikTok den wohl mächtigsten Algorithmus gebaut hat, den die Welt je gesehen hat.
Um zu wissen, welcher Inhalt süchtig macht, werden unterschiedlichste Videos ausgestrahlt. Während man (und das sind wir, ich, du und unserer Söhne und unsere Töchter) durch die Timeline „suchtet“ (wie es nicht umsonst heißt), sehen wir nach dem lustigen Katzenvideo einen Menschen, der sich erschießt. Einen anderen, der aus dem Fenster springt. Den Kannibalen von Rotenburg, der darüber spricht, wie er ein männliches Geschlechtsteil abgeschnitten und gegessen hat.
Ich bin mir sicher, dem einen oder anderen wird schon beim Lesen schlecht. Das Problem: Dabei sind wir erst bei dem Quasi-Alltäglichen, was jedes Kind, das ein eigenes Smartphone hat, kennt. Fragen Sie Ihre Klassen, was sie schon gesehen haben und was ihnen schlaflose Nächte macht. Sie werden überrascht, irritiert und vielleicht schockiert sein.
Haben Sie schon erlebt, dass ein Kind plötzlich nur noch ein Thema im Kopf hatte, das zuvor gar keine Rolle gespielt hat? Und Sie fragten sich, wie es dazu kommen konnte? Glückwunsch, Sie waren dabei, wie das Interesse vom Algorithmus gesteuert wurde (wie genau das funktioniert, hat der ehemalige Mitarbeiter so namhafter Firmen wie Alphabet oder Apple in einem damals viralen Blogbeitrag beschrieben, den ich auf meinem Blog nach und nach übersetzt habe. Der Titel: Wie Technologie unseren Geist manipuliert.
Wir brauchen das Fach Medienbildung
Schon nach der Veröffentlichung durfte ich mir von der digitalen Boheme anhören, den Teufel an die Wand zu malen. Aber das muss ich nicht: Der Teufel versteckt sich schon in unseren Geräten. Mein Plädoyer besteht nun eben auch nicht darin, zu empfehlen, alles Technische abzulegen und in den Wald zu ziehen, wenngleich das sicherlich als digitaler Detox dem einen oder anderen zugutekommen würde. Aber ich greife vor.
Im Grunde muss die Forderung so klingen, wie ich es selbst nicht mehr hören kann, ja, wie ich sie eigentlich ablehne, aber doch formulieren muss: Wir brauchen das Fach Medienbildung! Ich höre das Stöhnen, und ich verstehe es, denn die Forderung, dass irgendwas zu einem Fach werden müsste, gibt es so für so ziemlich jedes Thema, das nicht irgendwie in den Schulen abgebildet ist. Und ja: Medienbildung ist in den Bildungsplänen beschrieben, in Baden-Württemberg hilft der Basiskurs Medienbildung in der Unterstufe dabei, die Basics kennenzulernen.
In einem Gespräch mit Sascha Lobo kann man hören, warum ich gegen ein Fach bin. Aber der Kolumnist und Internetexperte Lobo sagt in diesem Zusammenhang etwas, das mir seitdem nicht mehr aus dem Kopf geht: Nur ein Fach könnte man politisch aufladen und unterstützen, es deutlich von anderen Fächern abgrenzen und damit seine Wichtigkeit durchbringen. Mit einer eigenen Lobby.
Ist eine solche Forderung aber nicht ein wenig zu viel angesichts eines Algorithmus? Wenn es doch „nur“ die Sucht wäre. Wenn es doch „nur“ die Bilder wären. Wenn es doch „nur“ die Spiele wären.
Verstehen, was uns nach unten zieht
Dass wir ein Fach oder zumindest mehr – vielmehr Medienbildung – im Sinne einer gemeinsamen Aufklärung brauchen, wird mir in Wellen klar, wenn ich mit Schülerinnen und Schülern der fünften und sechsten Klassen spreche. Aus einer Vertretungsstunde wird eine Stunde der Erklärung, der Aufklärung und der Prävention. Einmal angefangen, hören die jungen Leute gar nicht mehr auf, mir Löcher in den Bauch zu fragen und über ihre Erfahrungen zu reden.
Ihre Erfahrungen mit TikTok-Videos, die sie nicht schlafen lassen. Unangenehmen Inhalten. Ihre Erfahrungen mit Pornographie und damit, dass Kinder andere Kinder unter Druck setzen, indem sie Fotos manipulieren. Ihre Erfahrungen mit TikTok-Videos, in denen sie eingeladen werden in WhatsApp-Gruppen, in denen sie ihr Alter, ihren Wohnort und ein Bild schicken müssen. Ihre Erfahrungen mit Todesdrohungen. Und damit, dass Fremde sie anschreiben oder ihnen Fotos oder Videos von ihren Genitalien schicken. Und zwar ab dem Zeitpunkt, an dem sie ein Smartphone besitzen.
Ich spreche aus der Perspektive eines Lehrers, der in einem allgemeinbildenden Gymnasium lehrt, und zwar meist Kinder, die von ihren Eltern unterstützt werden. Die auf ihre Eltern zugehen oder fragen, was sie tun sollen. Meistens. Was ist mit denen, in denen das soziale Umfeld nichts auffängt, in dem die Kinder noch länger in den auf sie zugeschnittenen sozialen Medien hängen, einfach deshalb, weil es die beste Möglichkeit ist, sich zu beschäftigen, die es noch gibt. Die keine anderen kulturellen Zugänge haben?
Dies ist kein Text gegen die Nutzung der sozialen Medien. Denn diese gehen erstens nicht wieder weg und haben natürlich auch das Potenzial, Menschen zu verbinden, Ideen zu verbreiten und Minderheiten Reichweite zu geben. Der Text ist nichts weniger als der deutlich vorgetragene Hinweis, dass man in jeder Großstadt, in der man aufwächst, wissen muss, wo die gefährlichen Ecken sind. Wo die Gangster. Die Dealer, die einen süchtig machen. Die zwielichtigen Viertel. Die Parks mit den Schattengestalten.
Wir alle haben eine solche Großstadt in der Hosentasche. Wir, die wissen, wo die dunklen Ecken sind und dennoch immer wieder überrascht werden ob der Absurdität der Inhalte, die man im Netz findet. Und unsere Kinder, die dies nicht wissen und die sich – ausgestattet lediglich mit dem, was sie haben – wehren müssen gegen die schlauesten Menschen des Planeten und deren Ziel, jeden einzelnen so lange wie möglich am Bildschirm zu halten.
Wir müssen handeln! Es führt kein Weg daran vorbei! Medienbildung erschöpft sich nicht in kreativen Videos, unterhaltsamen Podcasts oder kollaborativen Blogbeiträgen. Zu verstehen, was uns nach unten zieht, muss Aufgabe derjenigen Institutionen sein, deren Auftrag es sein soll, jeden einzelnen fit für eine Gesellschaft zu machen. Eine Gesellschaft, die längst eine digitale Gesellschaft ist.
Bo Burnham singt:
For you, you, insatiable you
Mommy let you use her iPad
You were barely two
And it did all the things
We designed it to do
Ja, die Kultur der Digitalität bietet so viele Potenziale. Das stimmt. Aber sie ist auch ein großes schwarzes Loch mit unzähligen Möglichkeiten, die man besser nicht ausprobieren sollte. Kinder und Jugendliche sollten das wissen. Und es ist an uns, sie dabei zu begleiten.
Hinweis: In einer früheren Version des Artikels hieß es, TikTok scanne die Gesichtsreaktionen der Nutzerinnen und Nutzer, um in Sekundenschnelle zu ergründen, welcher Inhalt als Nächstes abgespielt werden soll. Das lässt sich nicht explizit durch eine Quelle belegen, deshalb wurde der Passus gestrichen.
Author: Courtney Wright
Last Updated: 1703751242
Views: 1411
Rating: 4 / 5 (108 voted)
Reviews: 99% of readers found this page helpful
Name: Courtney Wright
Birthday: 1979-11-19
Address: 633 Ashley Garden, Meganside, NE 74076
Phone: +4477173247890215
Job: Bioinformatician
Hobby: Traveling, Archery, Cooking, Pottery, Badminton, Fishing, Tennis
Introduction: My name is Courtney Wright, I am a brilliant, Open, ingenious, intrepid, multicolored, Determined, variegated person who loves writing and wants to share my knowledge and understanding with you.